Neustart im alten Beruf

Die einen wollen Menschen in Arbeit vermitteln, die anderen suchen den passenden Kandidaten für eine offene Fachkräftestelle – wenn sich beide Seiten treffen, kann das von Erfolg gekrönt sein. Das war bei der GSI und Elser Druck der Fall. Am meisten davon profitiert hat Khaled Fath Essouk.

Der syrische Flüchtling Khaled Fath Essouk ist Buchbinder. Er habe in seiner Heimat jahrelang Erfahrung in diesem Bereich gesammelt, erzählt der 45-Jährige. Seit März übt der Familienvater diesen Beruf wieder aus – und zwar bei der Firma Elser Druck in Mühlacker. Natürlich ist nicht alles wie in den acht Berufsjahren in Syrien. „Die Programme sind andere“, erklärt Essouk, „aber die Maschinen sind vergleichbar.“ Seine Kollegen würden ihn tatkräftig unterstützen und ihm nach und nach das nötige Wissen vermitteln. Sein Vorgesetzter, Betriebsleiter Oliver Böhringer, ist voll des Lobes über den neuen Mitarbeiter: „Ich glaube, ich könnte nach drei Jahren nicht so gut arabisch, wie er jetzt schon deutsch spricht.“ Mit Fachbegriffen sei es zuweilen schwierig, aber um den nötigen Wortschatz zu verbessern, habe die GSI Hilfe zugesagt. Dem Arbeitsvertrag als Buchbinder vorausgegangen war ein mehrwöchiges Praktikum, das Essouk im Rahmen einer Maßnahme ebenfalls bei Elser Druck absolvierte. „Integration in Kürze“ heißt das Programm, das die Gemeinnützige Service- und Integrations-Gesellschaft Enzkreis (GSI) für das Jobcenter kreiert hat, um Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zu integrieren. „Der Einstieg ist jederzeit möglich“, erklärt GSI-Chef Gerd Schulz. In der Regel könnten Neueinsteiger kurzfristig aufgenommen werden. Rund 30 Teilnehmer würden die „Integration in Kürze“-Maßnahme, die sowohl in Voll- als auch in Teilzeit angeboten wird, parallel durchlaufen. Der Schwerpunkt des Programms, für das bei der GSI Sylke Beyer gemeinsam mit fünf Kolleginnen und Kollegen verantwortlich ist, liegt auf Sprache, PC-Training, Bewerbungscoaching und Arbeitserziehung. Letzteres soll den Kursteilnehmern vermitteln, welche Tugenden – allen voran Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit – auf dem deutschen Arbeitsmarkt besonders gefragt sind.

Weder mit Pünktlichkeit noch mit Zuverlässigkeit hat Essouk ein Problem – im Gegenteil. Hinzu komme seine Freude an der Arbeit. Er packe kräftig an, lobt Druckerei-Betriebschef Böhringer und verweist dabei auf die besonderen Herausforderungen des Berufsbilds: Der Job eines industriellen Buchbinders sei körperlich anstrengend und sehr fordernd. Man müsse viel Papier hin- und herheben, weil man nicht alles maschinell erledigen könne.
Es sei schwierig gewesen, einen geeigneten Kandidaten für die Stelle zu finden. „Wir wollten einen Fachmann“, erklärt Böhringer, „uns war wichtig, dass der neue Kollege nicht nur Maschinen bedienen, sondern auch einrichten kann.“ Das sei der Unterschied zu einem angelernten Buchbinder – und ebenso der Knackpunkt, weil der Arbeitsmarkt quasi leer gefegt ist. „Bei den Jüngeren ist der Beruf nicht so bekannt“, ordnet Böhringer ein. Zu den Schneideaufgaben kämen unter anderem auch Papierrecycling, Lagerarbeiten und der Austausch von Containern hinzu. Außerdem wird Essouk nach und nach in die Falzmaschinen eingewiesen. „Er ist fachlich kompetent“, sagt Böhringer, schon während des Praktikums hätten seine Mitarbeiter signalisiert, dass sie sich eine weitere Zusammenarbeit mit dem syrischen Familienvater vorstellen können. Seine Motivation sei seit damals ungebrochen.
„Alle sind sehr nett zu mir“, sagt Essouk über seine Kollegen in der Druckhalle. Er ist seit drei Jahren in Deutschland, lebt mit seiner Frau und den drei Kindern, von denen das jüngste vor zwei Jahren in Deutschland geboren wurde, in Kieselbronn. „In unserer Heimat wurde im Krieg alles zerstört. Unsere Wohnung, unser Auto. Es war alles kaputt“, schildert Essouk, warum er gemeinsam mit seiner Frau und den heute 14 und 17 Jahre alten Kindern die gefährliche Flucht gewagt hat. Nun baut er sich ein neues Leben in seinem alten Beruf auf.

Dieser Schritt gelinge nicht jedem, wie GSI-Chef Gerd Schulz erklärt: „Es ist sehr schwierig für die Teilnehmer des Programms, einen Job zu finden.“ An oberster Stelle stehe nach wie vor das Thema Sprache. Danach sei die Frage zu klären, welche Fähigkeiten die Person mitbringe und wie sie es mit den Themen Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit halte. Daher gehe es bei „Integration in Kürze“ auch zu allererst darum, sich in die GSI zu integrieren. „Die Arbeit ist bei uns im Haus“, sagt Schulz über die Werkstätten, die die Grundlage für jedes externe Praktikum bilden. Außerdem müssten die Kursteilnehmer erst einmal selbst herausfinden, wo sie im Leben stehen und wo sie hinwollen. Dass dabei die Kulturen eine wichtige Rolle spielen, werde beim gemeinsamen Kochen berücksichtigt. So lerne man die Teilnehmer noch besser kennen. „Wir drängen uns den Menschen nicht auf. Wir heißen sie willkommen“, erklärt Schulz. „Meistens ist es die schwierige Klientel, die bei uns landet.“ Mit Blick auf den Weg, den Khaled Fath Essouk mit Fleiß und Ausdauer gegangen ist, fügt er hinzu: „Trotzdem haben wir immer wieder Vermittlungserfolge.“

Ramona Deeg